Kunst am Bau: Prestigefaktor, Denkanstoß, ästhetisches und soziales Erlebnis
Nach dem Zweiten Weltkrieg glichen viele deutsche Städte Trümmerwüsten. Ihr Wiederaufbau war einer der größten Herausforderungen der deutschen Nachkriegspolitik. Die Bauten jener Zeit spiegeln in ihrer bescheidenen und oftmals kargen Ausstattung die allgemeine Not wider. Umso aufsehenerregender war damals der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 25. Januar 1950, einen bestimmten Prozentsatz der Bausumme öffentlicher Bauten für Kunst aufzuwenden.
Damals sollte diese gesetzliche Regelung einen Beitrag leisten, das von den Nationalsozialisten zum Stillstand gebrachte Kulturleben mit neuen Impulsen zu versehen. Zugleich sollte Künstlern eine soziale Hilfe geboten werden, da sich bis dahin in Deutschland noch kein funktionierender Kunstmarkt etabliert hatte. Man wollte ein Zeichen setzen und mit positivem Beispiel vorangehen, um auch private Bauherren und Unternehmer zu motivieren, Kunst und Kultur wieder verstärkt in den öffentlichen Raum zu bringen.
Tradition seit Jahrhunderten
Denn die Kunst am Bau hat schon seit vielen Jahrhunderten Tradition: Kein Palast, kein Kirchen- oder Dombau, kein Prestige-Projekt dessen architektonische Botschaft und Besitzerstolz nicht auch durch Kunst unterstrichen worden wären. Auch in Deutschland wurde Kunst am Bau immer als ein integrales Element der Baukultur gesehen, das entscheidend zu Qualität und Aussage von Bauwerken beitragen und so die Menschen, die alltäglichen Betrachter, erreichen kann. Denn Kunst am Bau und Architektur sind öffentliche Künste: Sie sind allgemein zugänglich und dauerhaft präsent, sie sind Ausdruck des kulturellen Selbstverständnisses einer Gemeinschaft, einer Stadt, eines ganzes Landes.
Daher haben auch große Unternehmen, Banken und Versicherungen die Bedeutung solcher Kunst längst erkannt. Repräsentative Skulpturen vor dem Eingang, Großgemälde im Foyer und schmuckvolle architektonische Details gehören zur Standardausstattung jeder größeren Firmenzentrale und prägen die Corporate Identity und damit das Image des Unternehmens.
Hoher Stellenwert für private Bauherren
Für private Bauherren hatte diese Kunstform schon immer einen hohen Stellenwert, schließlich pflegen Entwickler und Investoren oft eine besondere Verbindung zu ihren Projekten. Dabei ist die Kunst am Bau weniger bloße Deko, sondern vielmehr die Reflexion eines Gebäudes und seiner Funktion, eine ästhetische Kontrastierung und intellektuelle Animierung.
Die künstlerische Aufwertung eines Gebäudes ist ein Beitrag zum Erscheinungsbild der Stadt und schafft ein dauerhaftes ästhetisches Erlebnis für die Bewohner und Besucher der Gebäude, aber auch für den öffentlichen Raum. Schließlich ist es wichtig, dass Kunst nicht nur in Museen und geschlossenen Räumen stattfindet, sondern dort, wo Menschen zusammenkommen und leben.
Prominente Beispiele
Prominente Beispiele gibt es gerade in Berlin zuhauf: So legen 8000 Kunstwerke an, in oder vor öffentlichen Gebäuden Zeugnis ab vom kulturellen Selbstverständnis von Bundesrepublik und DDR. Auch die von Jonathan Borofsky geschaffenen, in der Spree stehenden, 30 Meter hohen „Molecule Man“ vor den Treptowers, sind bekannt über die Stadtgrenzen hinaus und schaffen eine ikonische Verbindung mit einem städtischen Symbol. Die Entwickler des EDGE East Side oder des Landmark-Projekts Am Tacheles sind von vornherein an die Entwicklung der Gebäude mit einem wesentlichen künstlerischen Ansatz herangegangen und haben namhafte Architekturbüros verpflichtet, ihre künstlerische Vision umzusetzen. Doch auch die lebendige Street-Art-Szene Berlins arbeitet längst mit kunstbewussten Investoren und Eigentümern zusammen. Von Bauzäunen bis hin zu ganzen Großwänden entstehen so Kunstwerke für die Allgemeinheit, wie etwa die im Rahmen der Sleek Art Week präsentierten Street-Art-Kunstwerke an den Lofts der FORTIS AG in der Schulzendorfer Straße im Wedding durch Street Art Künstler Mario Mankey.
Kunst am Bau stiftet Sinn
Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum ist so weit mehr als überflüssiger Luxus, Selbstzweck oder gar reines Mittel der Selbstdarstellung. Denn Kunst bringt eine sinnliche Dimension in die funktionalen Umfelder der Gebäude, der Städte und Dörfer und leistet so einen wichtigen Beitrag für Identitätsfindung, Gemeinschaftsgefühl und Lebensqualität. Künstlerische Leistungen ergänzen Architektur und Umgebung und stiften Sinn: Sie wecken Neugier; tragen zur Schärfung der Wahrnehmung bei; öffnen den Blick auf die Welt und ermöglichen neue Bedeutungszusammenhänge.