Farbe bekennen: Wie moderne Farbkonzepte das Wohngefühl steigern
Neben dem Mobiliar und den Accessoires tragen auch Wandfarben maßgeblich zur Wirkung eines Wohnraums bei. Während in anderen Ländern bei den eigenen vier Wänden deutlich stärker mit Farbe gearbeitet wird, gehen wir hierzulande sparsam mit Farbe vor – oft aus Angst, etwas falsch zu machen. Dabei können auch Laien geschmackvolle Akzente setzen. Farbdesignerin Anna von Mangoldt erklärt, wie man der Alltagskreativität auf die Sprünge helfen kann.
Wenn man sich in deutschen Haushalten umschaut, bekommt man mitunter recht schnell das Gefühl, dass die Lieblingswandfarbe der Deutschen Weiß-In-Weiß ist. Wie kommt das?
Dafür gibt es mit Sicherheit mehrere Gründe: Ich habe den Eindruck, dass in anderen Ländern das Thema Farbe mit sehr viel mehr Leichtigkeit angegangen wird. Für uns Deutsche ist die Farbwahl oftmals mit Stress verbunden, was grundsätzlich sehr schade ist. Aus Angst davor, Fehler zu machen, wird die Entscheidung dann vertagt, sodass die Wände „vorerst“ weiß gestrichen werden. Aus diesem „vorerst“ werden dann meist mehrere Jahre.
Außerdem herrscht das Vorurteil, dass die Farbe Weiß eine Wohnung moderner und vor allem heller wirken ließe. Dabei handelt es sich jedoch um einen Trugschluss, denn oft wirkt Weiß kalt und bei unseren hiesigen Lichtverhältnissen graustichig. Hinzu kommt, dass Deutschland eine Mieternation ist. Viele Mieter nehmen nicht das Geld für einen Neuanstrich in die Hand, wenn sie beim Auszug sowieso wieder alles überstreichen müssen. Spätestens nach dem Kauf der ersten Eigentumswohnung und dem Wunsch, sich mit dem Thema „Farbe“ auseinanderzusetzen, stehen viele dann vor unbekanntem Terrain.

Es fehlt also meist an den Vorkenntnissen?
Ja. Anders als in der Mode, bei der man bereits ein grundsätzliches Empfinden hat, was einem steht und was nicht, fängt man bei dem Thema „Wandfarbe“ oftmals bei null an. Aus dieser Unsicherheit heraus gilt es daher als erstes, herauszufinden, was einem überhaupt gefällt. So banal es auch klingen mag: Das gelingt am besten durch genaues Hinschauen. Wenn Sie beim nächsten Mal irgendwo zu Besuch sind und Ihnen die Wohnung gefällt, versuchen Sie doch einmal herauszufinden, warum das so ist. Achten Sie dabei auch auf die Wandfarbe – und merken Sie sich den Farbton. Am besten fragen Sie, ob Sie ein Foto machen dürfen. Suchen Sie außerdem nach Bildern in Zeitschriften oder im Internet und stellen Sie diese Bilder in Ruhe zusammen, Zimmer für Zimmer. So gelangen Sie langsam, aber sicher zu einer guten Entscheidungsgrundlage, anstatt unter Druck eine womöglich falsche Entscheidung zu treffen.

Es gibt also keine Universallösung?
Definitiv nicht. Es geht auch nicht nur um die Farbe allein, sondern auch um ihre Wechselwirkung mit dem Raum. Architektonische Stilvorgaben spielen hierbei immer eine große Rolle und schränken häufig die Möglichkeiten ein. Aber auch zunächst unbedeutend wirkende Aspekte wie die Lichtverhältnisse oder die Fußbodenfarbe sollten bei der Wahl der Farbgebung berücksichtigt werden. Man kann nicht davon ausgehen, dass das Farbkonzept, das in ein New Yorker Penthouse passt, sich auch für eine Berliner Altbauwohnung eignet. Ein Probeanstrich ist deshalb immer empfehlenswert. Außerdem ist Farbe nicht gleich Farbe. Genauso wie bei Wolle oder Seide gibt es auch bei Farben massive Qualitätsunterschiede. Nicht jede Farbqualität eignet sich auf jedem Untergrund, und Sparfüchse könnten ihre Entscheidung womöglich im Nachhinein bereuen.

Wie sieht es eigentlich bei Industrielofts aus? Gerade hier machen Lehmziegelwände und Stahlelemente bereits viele Vorgaben.
Bei einem Loft sollte man sich die Frage stellen, ob man in der Farbatmosphäre, die der Industriecharakter vorgibt, bleiben will – oder bewusst Kontraste setzen möchte. Ich persönlich finde, dass Wandfarben die Architektur oder den Stil eines Gebäudes unterstreichen und nicht gegen sie arbeiten sollten. Akzente zu setzen ist dann die Aufgabe des Mobiliars. Mit steinähnlichen Grautönen könnte man hierbei das bereits vorhandene Farbkonzept aufgreifen und angenehm ergänzen. Falls Sie jedoch experimentierfreudiger sind oder etwas völlig Eigenes wagen wollen, kann ich nur dazu raten, vorher einen Experten zu befragen. Denn auch beim Thema Wandfarbe ist das Gegenteil von „gut“ oft „gut gemeint“.