Baulandmobilisierungsgesetz: Baurechtsnovelle soll mehr Wohnraum schaffen
Das neue Baulandmobilisierungsgesetz, das am 23. Juni 2021 in Kraft getreten ist (Quelle: BMWSB), hat das Ziel, neuen Wohnraum zu schaffen, günstiges Wohnen zu ermöglichen und Mieter vor Verdrängung zu schützen. Die Gesetzesnovelle gibt den Gemeinden umfassende Eingriffsmöglichkeiten, um den Wohnungsbau in den durch Satzung bestimmten Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt durchzusetzen. Die Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) sieht folgende Änderungen vor:
1. Vereinfachte Erteilung von Baugenehmigungen
Bauherren soll es erleichtert werden, eine Baugenehmigung zu erhalten, um den Bau von Wohnraum zu beschleunigen. Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes zugunsten des Wohnungsbaus in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt, werden in Aussicht gestellt und die Nutzung von Möglichkeiten zur Abweichung vom Erfordernis des Einfügens in die nähere Umgebung wird erleichtert. Im Außenbereich gibt es wiederum Erleichterungen hinsichtlich der Genehmigungserteilung für die Umnutzung vormals landwirtschaftlich genutzter Gebäude in Wohngebäude.
2. Zwang zum Bauen
In Zukunft können Eigentümer dazu verpflichtet werden, ihre Grundstücke zu bebauen. So darf eine Gemeinde nach der neu aufgenommenen Regelung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 BauGB anordnen, dass ein Grundstück mit einer oder mehreren Wohneinheiten zu bebauen ist, wenn in dem Bebauungsplan Wohnnutzungen zugelassen sind. Dies ist auch dann möglich, wenn der Bebauungsplan neben Wohnnutzungen andere Nutzungen zulässt, also in urbanen Gebieten nach § 6a BauNVO und in Mischgebieten nach § 6 BauNVO. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa wenn ein Grundstück beispielsweise für einen Familienangehörigen freigehalten werden soll. Hamburg ist bereits aktiv geworden: Als erstes Bundesland hat die Hansestadt am 13.7.2021 eine Rechtsverordnung erlassen, nach welcher der Hamburger Senat künftig unter anderem auf Baugebote (§ 201a BauGB) setzt, die gezielt den Wohnungsbau anordnen.
3. Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt
Durch das neue Gesetz wird der Begriff des „angespannten Wohnungsmarktes“ in das Baugesetzbuch aufgenommen. Dieser greift, wenn die Versorgung einer Gemeinde mit Mietwohnungen gefährdet ist. Kriterien für die Feststellung eines angespannten Wohnungsmarkts gemäß § 201a BauGB sind ein deutlich stärkerer Mietenanstieg und eine überdurchschnittlich höher Mietbelastung als im bundesweiten Durchschnitt, ein Wachstum der Bevölkerung ohne gleichzeitige Schaffung des erforderlichen Wohnraums sowie ein geringer Leerstand bei großer Nachfrage. Der Berliner Senat sieht diese Kriterien für die Hauptstadt als erfüllt an und hat Anfang August 2021 eine Rechtsverordnung beschlossen, in der die ganze Stadt als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgewiesen wird.
4. Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen
Ursprünglich sollte der Schutz der Mieter vor Eigenbedarfskündigungen verbessert werden. Obwohl diese Verbesserung mit vergleichsweise einfachen Anpassungen der bestehenden Regelungen möglich geworden wäre, wurde dafür der große Rundumschlag kreiert.
Zukünftig wird die Umwandlung von Wohnimmobilien in Eigentumswohnungen deutlich erschwert, wenn nicht sogar nicht mehr möglich sein. In Berlin ist für die Bildung von Wohnungseigentum in bestehenden Gebäuden ab fünf Wohnungen künftig die behördliche Genehmigung erforderlich. Als Begründung wird angeführt, dass die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum angeblich zum Verlust an bedarfsgerechten Mietwohnraum in der gesamten Stadt führe. Bislang bestand in der Hauptstadt dieser Genehmigungsvorbehalt nur für die zahlreichen Milieuschutzgebiete. Die neue Regelung sieht zwar auch Ausnahmen vor, aber dafür müssen mindestens 2/3 der Wohnungen an ihre Mieter verkauft werde
5. Vorkaufsrechte der Kommunen
Eine Gemeinde ist berechtigt, vorrangig ein unbebautes Grundstück zu erwerben, wenn sie sich darauf beruft, hierdurch den Wohnbedarf der Gemeinde zu decken.
Verkauft eine Privatperson oder eine Gesellschaft also ein Grundstück und liegt dieses in einem bestimmten Gebiet, etwa im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder in einem Sanierungsgebiet, kann die Gemeinde gemäß § 24 BauGB unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorkaufsrecht geltend machen und dadurch anstelle des Käufers mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag zu den im Wesentlichen gleichen Konditionen abschließen, die zuvor zwischen Verkäufer und Käufer ausgehandelt worden waren. Dabei muss die Gemeinde jedoch nachvollziehbar und mithilfe eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts darlegen, dass ein Grundstück für die zielgerichtete Entwicklung tatsächlich in Betracht kommt.
6. Soziale Wohnraumförderung
Gemeinden wird die Möglichkeit eingeräumt, bereits bei der Planung bestimmte Flächen verbindlich festzulegen, auf denen später Gebäude mit Wohnungen zu geringen Mietpreisen entstehen werden. Das bedeutet, dass Gemeinden in Geltungsbereichen der neu eingeführten sektoralen Bebauungspläne Flächen für Wohnbebauung festlegen dürfen und zusätzlich vorschreiben können, dass neue Wohnungen die baulichen Voraussetzungen und Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, wie die Mietpreis- & Belegungsbindung, erfüllen müssen. Baugenehmigungen dürfen dann auch von einem entsprechenden Nachweis über die Einhaltung der Vorschriften abhängig gemacht werden.
Die Gesetzesnovelle soll so für Teilbereiche neue Rechtsgrundlagen schaffen und damit den Wohnungsbau erleichtern. Ob es sich dabei um den vielbeschworenen „Meilenstein“ handelt, ist fraglich. Fest steht jedoch, dass der Gesetzgeber einmal mehr auf staatliche Regulierung und nicht auf eine sinnvolle Überarbeitung der für die Wohnungswirtschaft entscheidenden Rahmenbedingungen setzt.
Kritiker des Gesetzes befürchten daher unter anderem, dass in der Folge der Maßnahmen eine Verschiebung stattfindet und andere Asset-Klassen zu kurz kommen, vor allem der Büroimmobilienmarkt dürfte betroffen sein.
Befürchtet wird außerdem, dass bei der nach wie vor hohen Nachfrage nach Wohneigentum die stellenweise schon jetzt hohen Preise geradezu explodieren werden. Im Mieterland Deutschland (55 Prozent der Menschen leben hierzulande zur Miete) aber besonders in der Hauptstadt Berlin (ca. 85 %) wird vielen Menschen damit die Chance auf Eigentumsbildung verwehrt. Letztlich werden steigende Preise für Eigentumswohnungen dann auch einen Effekt auf die Mietpreise haben.
Abzusehen ist schließlich, dass das neue Gesetz zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Eigentümern und Gemeinden bis zum Bundesverfassungsgericht führen wird – schließlich sind mit der Novelle zum Teil erhebliche Eingriffe in die grundrechtlich fixierten Freiheits- und Eigentumsrechte verbunden. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob das Baulandmobilisierungsgesetz zu einer schnelleren Aktivierung von Bauland und zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum führt und nicht in erster Linie Anwälte und Gerichte beschäftigen wird.
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